Mittwoch, 14. Dezember 2011

Sevagram Special School...

...oder mein neues Zuhause II

Hallo meine Lieben!
Nach den eher negativen letzten Artikeln, möchte ich euch ein wenig in meine neue Umgebung einführen. Wie ihr ja wisst habe ich vor ein paar Wochen meine Einsatzstelle gewechselt und wohne jetzt in Vettimukal.
hinten: Mariya Joy und Mariyamol
vorne: Richu, Priya und Josna

Vettimukal ist ein kleiner Ort, der zu Ettumanoor gehört und im Kottayam Distrikt liegt. Einem Nachbarn des Idukki Distrikts, in dem ich vorher gewohnt habe.
Sevagram ist der Name des Internats für geistig behinderte Kinder und Jugendliche, in dem ich jetzt tätig bin. Kinder und Jugendliche ist hier ein sehr dehnbarer Begriff, denn die Altersspanne liegt hier zwischen 5 und 42 Jahren. Insgesamt leben hier ca. 46 Kinder, drei Ordensschwestern, drei Priester, eine Physiotherapeutin, ein paar Angestellte und meine Wenigkeit.
die einzelnen Apartments 

mein neues Zimmer
Gegründet wurde die Schule vor 20 Jahren von dem in Deutschland lebenden indischen Priester Jacob Daniel. Man sieht dem Gelände den ausländischen Einfluss auf jeden Fall an und auch mein Zimmer lässt sehr an Europa erinnern. Insgesamt sind auf dem Gelände folgende Gebäude zu finden: das Schulgebäude mit sechs Klassenzimmern, jeweils ein Wohngebäude für die Mädchen (dort leben auch die Ordensschwestern, Physiotherapeutin, Angestellten und kleineren Kinder) und die Jungs, ein Speisesaal (die Priester und ich essen in einem abgetrennten Raum) mit angrenzender Küche und Speisekammer, der Ashram (Wohnhaus der Priester, Büro und meine Unterkunft) und eine Kapelle, die sechseckig ist und ich in dieser Form noch nie in Indien gesehen habe.
"Mädchenwohnheim"

Das Gelände ist an einem Hügel gelegen und recht weitläufig angelegt. Es ist eine sehr ruhige Gegend, abgelegen von der Hauptstraße und von vielen Pflanzen und Plantagen umgeben.
Ich kann es selbst kaum glauben, aber ich kann euch mittlerweile sogar einen Tagesplan präsentieren! :)
Der Vormittag gestaltet sich von Montag bis Freitags wie folgt. Um 7:30 Uhr gibt es Frühstück. Davor bleibt es mir freigestellt am Gottesdienst um 6:30 Uhr teilzunehmen, gemeinsam mit den Priestern Zeitung zu lesen oder einfach länger zu schlafen. Meistens werde ich aber eh von den „Gesängen“ aus der Kapelle geweckt, da diese auf gleicher Höhe wie mein Zimmer liegt. Die ersten Male hatte ich das Gefühl mit meinem Bett mitten im Geschehen zu liegen, so laut war es. Aber ich habe herausgefunden, dass der Ventilator, wenn ich ihn einschalte, vieles der Geräusche schluckt und so lasse ich ihn zumeist laufen.
Sportplatz
Nach dem Frühstück habe ich dann Freizeit, die ich für verschiedene Dinge nutze wie z.B. Wäsche waschen. Ich kann es selbst kaum glauben, aber: Wir haben hier eine Waschmaschine!! Diese ist wirklich ein Segen und wenn ich die Wäsche vormittags aufhänge, kann ich sie meistens nachmittags schon wieder trocken abnehmen. Und das gilt sogar für Jeans! :)
Um 9:45 mache ich mich dann meistens auf den Weg die Kinder zur Schule zu begleiten. Diese Stellen sich dann für den täglichen Morgenappell auf, singen ihre Schulhymne, werden gezählt und machen verschiedene Übungen. Anschließend geht es dann in die Klassen. Es gibt vier verschiedene Klassenstufen, die nach Alter und Intelligenz eingeteilt sind, in Preprimary, Primary, Secondary und Vocational Class.
beim Morgenappell in Schuluniform
Am Anfang dachte ich, dass auch hier normaler Unterricht stattfindet. Aber das ist nicht der Fall und würde wahrscheinlich auch nicht funktionieren. Der Unterricht hat mehr den Effekt der Beschäftigung als des Lernens. So werden verschiedene Wörter auf Malayalam oder Englisch aufgeschrieben oder einfachere Matheaufgaben gelöst, die je nach Kind einen unterschiedlichen Schweregrad aufweisen. In der Preprimary gibt es eigentlich gar keinen Unterricht, da die Kinder nicht die Auffassungsgabe haben und zudem teilweise auch gar nicht verbal kommunizieren können. Dort wird mit den Kindern gespielt, wobei Bälle das Interesse der meisten Kinder dort wecken, die allesamt Jungs sind.
Blick vom Dach auf eine angrenzende Bananenplantage 
Eine konkrete Aufgabe habe ich hier nicht. Zur Zeit gehe ich mit in die Klassen und führe ein wenig Einzelbetreuung durch, die mit nur einem Lehrer nie sonst möglich wäre. Außerdem übernehme ich die Betreuung einer Klasse, sobald ein Lehrer ausfällt. Es ist ein gutes Gefühl helfen zu können und ich glaube auch, dass die Kinder dankbar für meine Aufmerksamkeit sind, die ich ihnen schenke.
Die älteren Bewohner des Internats stellen u.a. Kerzen her
Um halb 1 Uhr gibt es dann Mittagessen und anschließend ist eine Mittagspause bis um 2 Uhr. Nachmittags wird dann erst in den Klassenräumen gespielt. Es gibt verschiedene Puzzle, einfache Brettspiele und Malutensilien. Die Kinder spielen recht selbstständig, sodass ich mich ihrem Spiel einfach nur anschließe. Anschließend geht das Spielen draußen weiter. Es gibt ein Basketballfeld, auf dem auch Fußball gespielt wird. Außerdem gibt es auch die Möglichkeit Federball zu spielen und auf den Spielplatz zu gehen. Ich bin froh, dass man hier auch ein wenig sportlich tätig werden kann, da man sonst doch sehr viel herum sitzt und keine Bewegung bekommt.
Um halb 4 begleite ich dann, nachdem sich nochmal auf dem Hof aufgestellt wurde und die 
die Kapelle
Nationalhymne „gesungen“ wurde, die Kinder und Jugendlichen zum Nachmittagssnack und trinke selbst meistens einen Kaffee. Anschließend habe ich die Wahl mich zurückzuziehen oder ab 5 Uhr noch einmal zu den kleineren zu gehen mit ihnen fern zu schauen oder mit ihnen zu spielen. Um 7 Uhr ist dann Rosenkranzgebet in der Kapelle, an dem ich auch freiwillig teilnehmen kann und um 7:30 Uhr gibt es dann schon wieder Abendessen. Nach dem Essen setze ich mich seit ein paar Tagen mit der Physiotherapeutin Preethi und Schwester Rita zusammen. Wir haben einen „Language-Club“ gegründet, in dem ich mein Malayalam aufbessern kann und sie ein wenig deutsch lernen.
Marchingband-Probe 
 Ich hoffe sehr, dass wir das abendliche Treffen weiter beibehalten! Ich habe doch noch Hoffnung wenigstens ein wenig besser Malayalam zu lernen. Durch die Kinder komme ich jetzt aber auch wenigstens zum Sprechen. Die können nämlich fast gar kein Englisch und wenn ich mich also verständigen möchte, d
ann muss ich mir mit meinen Brocken Malayalam weiterhelfen. Aber es klappt soweit und die Kinder scheinen meistens zu verstehen was ich sage. Wenn ich mal mit ihnen schimpfen muss, dann mache ich das meistens auf deutsch. Man kann nirgends böser klingen als in der eigenen Muttersprache und der Klang ist schließlich wieder international!
Klassenraum mit einigen Schülern und Lehrerin
Ich habe hier jetzt zwar einen vorgeschriebenen Zeitplan, aber ich habe doch viel mehr Möglichkeiten etwas zu tun. Die Priester haben mich beispielsweise auch sofort alleine mit dem Bus fahren lassen und trauen mir mehr zu als die Schwestern in Moolamattom. Diese waren jeder Zeit besorgt, dass mir unterwegs etwas zustoßen könnte und haben mir viel meiner Freiheit genommen. Es ist auf jeden Fall ein tolles Gefühl nun endlich mehr Freiraum und Selbstständigkeit zugesprochen zu bekommen.
Ich hoffe ihr konntet einen kleinen Einblick in meinen neuen Alltag bekommen und ich bin 
Physiotherapeutin Preethi bei der Arbeit
mir sicher, dass es hier noch einige Geschichten gibt, die sich erzählen lassen! :) Allgemein bin ich sehr froh, dass ich mich zu dem Wechsel entschieden habe. Kontakt nach Moolamattom zu den Schwestern besteht auch weiterhin. Ich war sie schon besuchen und spätestens im Januar werde ich noch einmal mit meinen Eltern dort vorbeifahren.
Nächste Woche werde ich wieder nach Karikkatoor zu meiner Familie fahren. Schließlich ist nächste Woche Samstag schon Heilig Abend. Verrückt! Über die Feiertage ist die Schule für 10 Tage geschlossen und alle Kinder gehen nach Hause. Für mich also auch eine tolle Gelegenheit mal wieder einen Familienbesuch abzustatten!

Ach ja, für alle die mir gerne Post zukommen lassen möchten, hier meine neue Adresse:

Sevagram Special School
Priya Linke
Vettimukal P O
Ettumanoor, Kottayam District 686631
Kerala, India

Ich freue mich natürlich über jede Art von Post! :)

Liebe Grüße und weiterhin eine besinnliche Vorweihnachtszeit!
Eure Priya
Schwester Rita und Mathew
P.s. Die Schule hat auch eine eigene Homepage: www.sevagram.in

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen