Freitag, 23. Dezember 2011

Let it snow...

Hallo meine Lieben!

Weihnachtsmann in pink 
Ich sitze gerade in meinem Zimmer und habe auf meinem Netbook Weihnachtsmusik laufen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie seltsam es ist sich anfühlt „I'm dreaming of a white christmas“ und so weiter anzuhören. Hier kann man so lange träumen wie man will, weiße Weihnachten wird es wohl nie geben. Draußen scheint die Sonne und wir haben an die 30 Grad im Schatten. Die Palmen bewegen sich im leichten Wind und über mir dreht sich der Ventilator. Alles wirklich nicht sehr weihnachtlich.

Preethi und ich  

Mariya hängt ihre Schneeflocke auf
Ich vermisse die Vorweihnachtszeit in Deutschland und ich glaube ich war mir noch nie so darüber bewusst wie toll ich die ganzen Kleinigkeiten finde. Angefangen vom Adventskalender, der unglaublichen Auswahl an Weihnachtsgebäck und Süßigkeiten in den Supermarktregalen, jeden Sonntag eine Adventskerze anzuzünden, der Duft von selbstgebackenen Plätzchen, auf dem Weihnachtsmarkt einen Glühwein trinken, sich freuen von der Kälte ins Warme zu kommen, unter einer dicken kuscheligen Decke schlafen, die Weihnachtsdekorationen überall, der erste Schnee, wie schön alles aussieht und wie ruhig es ist, die Hektik noch die letzten Geschenke zu besorgen bis hin zum Heiligen Abend mit den ganz eigenen Traditionen im Kreise der Familie. Wenn ich an all die ganzen Sachen denke werde ich schon ein wenig traurig. Da ist es doch recht hilfreich, dass hier einfach sehr wenig an die mir bekannte Weihnachtszeit erinnert.

Sevagram-Jungs mit ihren Schneeflocken
Hier bin ich selbst ein wenig dafür verantwortlich mich in Stimmung zu bringen. Deswegen habe ich mich entschieden ein wenig Weihnachtsdekoration, teilweise gemeinsam mit den Kindern, zu basteln. Ich habe mir Tonpapier besorgen lassen, welches zwar ein wenig dünner als das unsere ist, aber für meine Zwecke recht es vollkommen aus. Außer, dass es leider kein rot gab, sodass der Weihnachtsmann in diesem Jahr pink trägt. Wer hat denn auch gesagt, dass er sich modisch nicht etwas weiterentwickeln kann. ;) Okay, ich gebe es ja zu. Ich bin selbst noch nicht für diesen Schritt bereit und habe das pinke Papier rot übermalt.
Entschieden habe ich mich, neben dem Weihnachtsmann, für die Motive Schneemänner, Sterne und Schneeflocken. Mir ist erst im Nachhinein klar geworden, dass hier fast niemand etwas mit Motiven, die mit Schnee zu tun haben, anfangen kann. Die Schneemänner, die ich gebastelt habe wurden zum Beispiel von einem der Kinder für Katzen gehalten und die Schneeflocken sind dann eben weiße Blumen. Aber allen gefällt die Dekoration und das ist ja die Hauptsache.

"Katze" und Jibbin
Wohingegen in Deutschland die Häuser teilweise mit Schmuck überladen sind, sind sie hier eher zurückhaltend mit einzelnen Weihnachtssternen geschmückt. Diese ähneln denen, die man auch auf deutschen Weihnachtsmärkten kaufen kann. Nur sind sie an den indischen Geschmack angepasst und meistens in recht knalligen Farben, mit Glitzer oder recht pompös gestaltet. Man kann in Geschäften aber auch Plastikweihnachtsbäume, Anhänger und gruselige Weihnachtsmannmasken kaufen.


indischer Weihnachtsmann
Am 20.12 wurde ich von der Ankunft zweier Busse aus Pala überrascht. Diese brachten Schüler zweier Schulen mit, die allesamt aus der achten Klasse waren. Jedes Jahr kommen zur Weihnachtszeit („normale“) Kinder zur Sevagram Special School und bieten ein kleines Weihnachtprogramm. Eingeleitet wurde das ganze von einem als Weihnachtsmann verkleideten Jungen, der auch eine dieser besagten Masken aufgesetzt hatte. Es wurde gesungen, geschauspielert, getanzt und zwischendurch Süßigkeiten und Kuchen verteilt. Eine Gruppe von Mädchen sang eine Art Weihnachtmedley mit englischen Liedern. Das hat mich zum ersten Mal richtig an die Weihnachtszeit in Deutschland erinnert und mich doch ein wenig sentimental gestimmt. Etwas verwunderlich fand ich, dass die Schüler von außerhalb sehr unruhig waren, wohingegen meine Kids gebannt dem Geschehen auf der Bühne folgten und sich ruhig verhielten. Da ist man als Aunti doch ein wenig stolz! :)


 "Verschönerung" der Bühnendekoration
Den Nachmittag hielt ich mir dann für Weihnachtseinkäufe frei. Richtig gehört, ich habe wirklich Geschenke für meine Familie eingekauft und zwar im lieben Internet. Ein bekanntes Internetgeschäft, das fast jeden Artikel führt, hatte auch für mich seine Tore geöffnet und ich muss sagen, dass die Einkäufe fast genauso anstrengend und langwierig waren wie wenn ich mich in Deutschland in die realen Geschäfte begeben hätte. Ich finde es wirklich toll, dass ich auch von hieraus auf meinen deutschen Acount zugreifen kann und somit wie vor Ort einkaufen kann. Besonders gespannt bin ich daurauf was mein Opa dazu sagen wird, wenn er wie jedes Jahr seinen traditionellen Familien-Fotokalender erhält!
in der Bastelwerkstatt 

Den 21.12. verbrachte ich in meinem privaten Bastelbüro. Eigentlich habe ich fast nichts anderes betrieben als gebastelt und gebastelt, zwischendurch das Gebastelte aufgehängt und richtig.. weiter gebastelt. Gemeinsam mit einigen Kindern und Schwestern wurde dann das Auditorium für die Weihnachtsfeier am nächsten Tag geschmückt.

"Weihnachtsparty"
Abends gab es ein kleines Fest. Es war ja schließlich der letzte Abend vor den 10-tägigen Weihnachtsferien und hierfür wurde traditionell ein großer Kuchen angeschnitten und es gab ein kleines Bodenfeuerwerk und ganz viele Wunderkerzen. Es hat sich fast ein wenig wie ein verfrühtes Silvester angefühlt und mich meine Familie und Freunde vermissen lassen. Aber gleichzeitig war es so toll die Kinder zu beobachten. Was sie für eine Freude an dem Spektakel hatten und einige von ihnen waren erschrocken und verzückt zur gleichen Zeit. Solche Momente lassen das MaZ-Herz schon ein wenig höher schlagen.


Feuerwerk
Den letzten „Schultag“ wurden alle Kinder für ihren anstehenden Bühnenauftritt geschminkt und verkleidet und die meisten Eltern fanden ihren Platz im Publikum. Angesetzt war das ganze von 10-11 Uhr. Allerdings wurde daraus 10:30-12:30 Uhr. Mittlerweile bin ich aber an diese Verspätungen und Verlängerungen gewöhnt und kann es aushalten. ;) Alles in allem war es ein schönes, buntes und auch ein wenig kitschiges Programm und ich durfte mit „Rudolph the rednosed Reindeer“ auch ein Lied beisteuern. Es wurde mal wieder gesungen, getanzt und geschauspielert. Natürlich war es nicht perfekt, aber das brauchte es auch nicht, denn es war toll die Kinder bei ihren Talenten zu beobachten und ein wenig indisches Weihnachtsgefühl aufkommen zu lassen.
Tanz von den Kindern
Anschließend gab es noch eine Kleinigkeit zu essen und der große Aufbruch begann. Nur ein einziger Junge stand weinend in der Ecke. Es war keiner aus seiner Familie gekommen und es war unsicher ob überhaupt jemand kommt. Es brach mir fast das Herz ihn so zu sehen und ich konnte gut nachvollziehen wie schlimm es sich anfühlen muss immer der einzige zu sein, der zu den Ferien nicht von seiner Familie abgeholt wird. Schon die letzten Ferien verbrachte er nicht zu Hause sondern mit einem der Priester. Es lässt sich für mich nicht nachvollziehen wie man sein Kind, und dazu noch ein wirklich liebes und unauffälliges, nicht zu sich holen mag. Es liegt auch nicht daran, dass die Familie kein Geld hätte oder ähnliches. Da fragt man sich doch wer da „abnormal“ ist. Ich hoffe sehr, dass er noch abgeholt worden ist und, dass er schöne Ferien haben wird.
Mittlerweile bin ich auch wieder im Kreise der Familie und es fühlt sich gut an. Ich bin sehr gespannt wie sich die Feiertage hier gestalten werden und ich bin froh, dass ich soweit weg von meinem eigentlichen Zuhause doch irgendwie zu Hause feiern kann.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen und noch einmal auf den Solidaritätsfond der Steyler Missionare aufmerksam machen. Es wäre wirklich eine tolle Sache wenn der ein oder andere ein Paar Euros beisteuern würde. Mittlerweile habt ihr ja aus meinen Berichten lesen können was es bedeutet „Missionar auf Zeit“ zu sein und es ist wirklich eine tolle und einmalige Gelegenheit, die man unterstützen sollte! Vielen lieben Dank an alle, die sich beteiligen!
Hier noch einmal alle wichtigen Daten:

Empfänger: Steyler Mission
Kontonummer: 110 09
Bankleitzahl: 386 215 00
Bank: Steyler Bank
Verwendungszweck: MaZ-Solifond / Priya Linke
(Bei Benötigung einer Spendenquittung bitte unter Verwendungszweck zusätzlich die eigene Adresse mit angeben!)

Ich wünsche euch von Herzen eine schöne Weihnachtszeit, lasst euch reich beschenken und es euch gut gehen!!
Eure പ്രിയ 

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Sevagram Special School...

...oder mein neues Zuhause II

Hallo meine Lieben!
Nach den eher negativen letzten Artikeln, möchte ich euch ein wenig in meine neue Umgebung einführen. Wie ihr ja wisst habe ich vor ein paar Wochen meine Einsatzstelle gewechselt und wohne jetzt in Vettimukal.
hinten: Mariya Joy und Mariyamol
vorne: Richu, Priya und Josna

Vettimukal ist ein kleiner Ort, der zu Ettumanoor gehört und im Kottayam Distrikt liegt. Einem Nachbarn des Idukki Distrikts, in dem ich vorher gewohnt habe.
Sevagram ist der Name des Internats für geistig behinderte Kinder und Jugendliche, in dem ich jetzt tätig bin. Kinder und Jugendliche ist hier ein sehr dehnbarer Begriff, denn die Altersspanne liegt hier zwischen 5 und 42 Jahren. Insgesamt leben hier ca. 46 Kinder, drei Ordensschwestern, drei Priester, eine Physiotherapeutin, ein paar Angestellte und meine Wenigkeit.
die einzelnen Apartments 

mein neues Zimmer
Gegründet wurde die Schule vor 20 Jahren von dem in Deutschland lebenden indischen Priester Jacob Daniel. Man sieht dem Gelände den ausländischen Einfluss auf jeden Fall an und auch mein Zimmer lässt sehr an Europa erinnern. Insgesamt sind auf dem Gelände folgende Gebäude zu finden: das Schulgebäude mit sechs Klassenzimmern, jeweils ein Wohngebäude für die Mädchen (dort leben auch die Ordensschwestern, Physiotherapeutin, Angestellten und kleineren Kinder) und die Jungs, ein Speisesaal (die Priester und ich essen in einem abgetrennten Raum) mit angrenzender Küche und Speisekammer, der Ashram (Wohnhaus der Priester, Büro und meine Unterkunft) und eine Kapelle, die sechseckig ist und ich in dieser Form noch nie in Indien gesehen habe.
"Mädchenwohnheim"

Das Gelände ist an einem Hügel gelegen und recht weitläufig angelegt. Es ist eine sehr ruhige Gegend, abgelegen von der Hauptstraße und von vielen Pflanzen und Plantagen umgeben.
Ich kann es selbst kaum glauben, aber ich kann euch mittlerweile sogar einen Tagesplan präsentieren! :)
Der Vormittag gestaltet sich von Montag bis Freitags wie folgt. Um 7:30 Uhr gibt es Frühstück. Davor bleibt es mir freigestellt am Gottesdienst um 6:30 Uhr teilzunehmen, gemeinsam mit den Priestern Zeitung zu lesen oder einfach länger zu schlafen. Meistens werde ich aber eh von den „Gesängen“ aus der Kapelle geweckt, da diese auf gleicher Höhe wie mein Zimmer liegt. Die ersten Male hatte ich das Gefühl mit meinem Bett mitten im Geschehen zu liegen, so laut war es. Aber ich habe herausgefunden, dass der Ventilator, wenn ich ihn einschalte, vieles der Geräusche schluckt und so lasse ich ihn zumeist laufen.
Sportplatz
Nach dem Frühstück habe ich dann Freizeit, die ich für verschiedene Dinge nutze wie z.B. Wäsche waschen. Ich kann es selbst kaum glauben, aber: Wir haben hier eine Waschmaschine!! Diese ist wirklich ein Segen und wenn ich die Wäsche vormittags aufhänge, kann ich sie meistens nachmittags schon wieder trocken abnehmen. Und das gilt sogar für Jeans! :)
Um 9:45 mache ich mich dann meistens auf den Weg die Kinder zur Schule zu begleiten. Diese Stellen sich dann für den täglichen Morgenappell auf, singen ihre Schulhymne, werden gezählt und machen verschiedene Übungen. Anschließend geht es dann in die Klassen. Es gibt vier verschiedene Klassenstufen, die nach Alter und Intelligenz eingeteilt sind, in Preprimary, Primary, Secondary und Vocational Class.
beim Morgenappell in Schuluniform
Am Anfang dachte ich, dass auch hier normaler Unterricht stattfindet. Aber das ist nicht der Fall und würde wahrscheinlich auch nicht funktionieren. Der Unterricht hat mehr den Effekt der Beschäftigung als des Lernens. So werden verschiedene Wörter auf Malayalam oder Englisch aufgeschrieben oder einfachere Matheaufgaben gelöst, die je nach Kind einen unterschiedlichen Schweregrad aufweisen. In der Preprimary gibt es eigentlich gar keinen Unterricht, da die Kinder nicht die Auffassungsgabe haben und zudem teilweise auch gar nicht verbal kommunizieren können. Dort wird mit den Kindern gespielt, wobei Bälle das Interesse der meisten Kinder dort wecken, die allesamt Jungs sind.
Blick vom Dach auf eine angrenzende Bananenplantage 
Eine konkrete Aufgabe habe ich hier nicht. Zur Zeit gehe ich mit in die Klassen und führe ein wenig Einzelbetreuung durch, die mit nur einem Lehrer nie sonst möglich wäre. Außerdem übernehme ich die Betreuung einer Klasse, sobald ein Lehrer ausfällt. Es ist ein gutes Gefühl helfen zu können und ich glaube auch, dass die Kinder dankbar für meine Aufmerksamkeit sind, die ich ihnen schenke.
Die älteren Bewohner des Internats stellen u.a. Kerzen her
Um halb 1 Uhr gibt es dann Mittagessen und anschließend ist eine Mittagspause bis um 2 Uhr. Nachmittags wird dann erst in den Klassenräumen gespielt. Es gibt verschiedene Puzzle, einfache Brettspiele und Malutensilien. Die Kinder spielen recht selbstständig, sodass ich mich ihrem Spiel einfach nur anschließe. Anschließend geht das Spielen draußen weiter. Es gibt ein Basketballfeld, auf dem auch Fußball gespielt wird. Außerdem gibt es auch die Möglichkeit Federball zu spielen und auf den Spielplatz zu gehen. Ich bin froh, dass man hier auch ein wenig sportlich tätig werden kann, da man sonst doch sehr viel herum sitzt und keine Bewegung bekommt.
Um halb 4 begleite ich dann, nachdem sich nochmal auf dem Hof aufgestellt wurde und die 
die Kapelle
Nationalhymne „gesungen“ wurde, die Kinder und Jugendlichen zum Nachmittagssnack und trinke selbst meistens einen Kaffee. Anschließend habe ich die Wahl mich zurückzuziehen oder ab 5 Uhr noch einmal zu den kleineren zu gehen mit ihnen fern zu schauen oder mit ihnen zu spielen. Um 7 Uhr ist dann Rosenkranzgebet in der Kapelle, an dem ich auch freiwillig teilnehmen kann und um 7:30 Uhr gibt es dann schon wieder Abendessen. Nach dem Essen setze ich mich seit ein paar Tagen mit der Physiotherapeutin Preethi und Schwester Rita zusammen. Wir haben einen „Language-Club“ gegründet, in dem ich mein Malayalam aufbessern kann und sie ein wenig deutsch lernen.
Marchingband-Probe 
 Ich hoffe sehr, dass wir das abendliche Treffen weiter beibehalten! Ich habe doch noch Hoffnung wenigstens ein wenig besser Malayalam zu lernen. Durch die Kinder komme ich jetzt aber auch wenigstens zum Sprechen. Die können nämlich fast gar kein Englisch und wenn ich mich also verständigen möchte, d
ann muss ich mir mit meinen Brocken Malayalam weiterhelfen. Aber es klappt soweit und die Kinder scheinen meistens zu verstehen was ich sage. Wenn ich mal mit ihnen schimpfen muss, dann mache ich das meistens auf deutsch. Man kann nirgends böser klingen als in der eigenen Muttersprache und der Klang ist schließlich wieder international!
Klassenraum mit einigen Schülern und Lehrerin
Ich habe hier jetzt zwar einen vorgeschriebenen Zeitplan, aber ich habe doch viel mehr Möglichkeiten etwas zu tun. Die Priester haben mich beispielsweise auch sofort alleine mit dem Bus fahren lassen und trauen mir mehr zu als die Schwestern in Moolamattom. Diese waren jeder Zeit besorgt, dass mir unterwegs etwas zustoßen könnte und haben mir viel meiner Freiheit genommen. Es ist auf jeden Fall ein tolles Gefühl nun endlich mehr Freiraum und Selbstständigkeit zugesprochen zu bekommen.
Ich hoffe ihr konntet einen kleinen Einblick in meinen neuen Alltag bekommen und ich bin 
Physiotherapeutin Preethi bei der Arbeit
mir sicher, dass es hier noch einige Geschichten gibt, die sich erzählen lassen! :) Allgemein bin ich sehr froh, dass ich mich zu dem Wechsel entschieden habe. Kontakt nach Moolamattom zu den Schwestern besteht auch weiterhin. Ich war sie schon besuchen und spätestens im Januar werde ich noch einmal mit meinen Eltern dort vorbeifahren.
Nächste Woche werde ich wieder nach Karikkatoor zu meiner Familie fahren. Schließlich ist nächste Woche Samstag schon Heilig Abend. Verrückt! Über die Feiertage ist die Schule für 10 Tage geschlossen und alle Kinder gehen nach Hause. Für mich also auch eine tolle Gelegenheit mal wieder einen Familienbesuch abzustatten!

Ach ja, für alle die mir gerne Post zukommen lassen möchten, hier meine neue Adresse:

Sevagram Special School
Priya Linke
Vettimukal P O
Ettumanoor, Kottayam District 686631
Kerala, India

Ich freue mich natürlich über jede Art von Post! :)

Liebe Grüße und weiterhin eine besinnliche Vorweihnachtszeit!
Eure Priya
Schwester Rita und Mathew
P.s. Die Schule hat auch eine eigene Homepage: www.sevagram.in

Sonntag, 11. Dezember 2011

Katastrophenalarm oder Medienhype?

Hallo meine Lieben!

Zur Zeit gibt es in den hiesigen Medien fast nur ein Thema: Der Mullaperiyar-Damm droht zu brechen!
Dieser Damm ist Keralas größter Damm und führt nach Angaben aus dem Internet 443 Millionen m³ Wasser. Wenn er tatsächlich brechen sollte sind zehntausende von Menschen in Gefahr und ein Drittel Keralas könnte unter Wasser stehen. Unter anderem auch der Kottayamdistrikt, in dem ich wohne.

Kerala vorher - nachher 

Die Situation ist deshalb so gefährlich, da der, noch aus Zeiten der englischen Kolonie stammende Damm schon vor ca. 60 Jahren hätte erneuert werden müssen. Dieser ist nämlich mittlerweile schon 116 Jahre alt und besteht demnach aus völlig veraltetem Material. In der letzten Zeit hat es in der Region vermehrt Erdbeben gegeben, die unter anderem auch in Moolamattom spürbar waren. In der Dammmauer ist ein Riss und zu allem Übel hat es unüblicherweise sehr viel geregnet und der Damm führt zur Zeit mehr Wasser als er eigentlich tragen kann. Alles wirklich keine günstigen Faktoren.

Die Keralesen wollen schon seit vielen Jahren einen neuen Damm bauen, doch leider hängen an der ganzen Sache Verträge mit Tamil Nadu und die Tamilen sind strikt gegen den Bau. Zwar ist der Damm geographisch gesehen in Kerala, doch ist die Nutzung in Tamil Nadus Hand. Eine Erneuerung des Dammes würde auch eine Erneuerung des Vertrages bedeutet, was wiederum eine Erhöhung der Zahlungen an Kerala zur Folge hätte. Was interessieren einen da Menschenleben, wenn es doch um Geld geht?

Mullaperiyar Damm 

Die Frage ist für mich, wie ernst ist die Lage wirklich? Die oben beschriebenen Umstände sind Fakten. Doch wie gefährlich ist es? Oder wird aus der Sache etwas Großes gemacht, damit die Tamilen endlich nachgeben einen neuen Damm zu bauen? Wie groß ist die Wassermenge und würde die Tsunamie ähnliche Welle im Ernstfall auch Vettimukal mitreißen?

Als ich davon durch Zufall mitbekommen habe, ist in mir zunächst einmal Panik aufgekommen. Ich habe Bilder gesehen, auf denen gezeigt wird, welcher Bereich unter Wasser stehen würde und das wären, sollte man dem ganzen Glauben schenken, 5 Distrikts, in denen an die 3,5 Millionen Menschen leben. Ich komme mir, wenn ich an die Situation denke, vor, als wäre ich in einem schlechten amerikanischen Katastrophenfilm und doch ist es die Realität. Man malt sich im Kopf die schlimmsten Szenen aus und fragt sich was man im Fall der Fälle tun würde.

So könnte ein Filmplakat des ganzen aussehen

Die Inder gehen an die Sache sehr gemächlich heran. Ich habe mal gefragt, ob sie denn keine Angst hätten und ich bekam die Antwort: Wenn es passiert, dann passiert es. Zu Beginn habe ich nicht verstehen können wie man in dieser Lage so reagieren kann. Aber mittlerweile kann ich es ansatzweise nachvollziehen. Was sollen die Leute denn hier machen? Panik verbreiten und fliehen? Die Möglichkeit haben die meisten Menschen hier gar nicht. Was ist denn auch mit der Arbeit, dem Haus und allem weiteren? Was vor allem wenn gar nichts weiter passiert? Wirklich sicher ist es erst wenn der neue Damm steht und der Bau würde auch mehrere Jahre brauchen. Ich habe mich ein wenig von der ruhigen Art der Keralesen anstecken lassen. Wäre ich vor einer Woche noch gerne ins Flugzeug gestiegen, verdränge ich zur Zeit die Gefahr und bete einfach, dass nichts passieren mag.

Es bräuchte zumindest ein stärkeres Erdbeben um den Damm zum Brechen zu bringen und dann besteht noch die Hoffnung, dass der nächste Damm, der Idukki-Damm, das Wasser halten kann. Aus diesem wird zur Zeit Wasser abgelassen. Aber irgendwie zweifel ich doch sehr daran, dass er es tun würde.
Mir wurde berichtet, dass das Wasser bis hier her ca. 5 Stunden brauchen würde und doch könnte man wahrscheinlich eh nichts machen, da alle zur gleichen Zeit in ihr Auto steigen würden und versuchen würden, von hier wegzukommen.

Mullaperiyar Damm

Was mich wirklich wütend macht, ist das Verhalten des Nachbarstaates. Ich kann es einfach nicht verstehen, dass man Menschen, die außerdem genauso Inder sind wie sie, in Gefahr  bringen kann und in so einer Situation auch noch überlegen muss etwas dagegen zu tun! Zur Zeit finden immer wieder neue Verhandlungen statt und zu einem Ergebnis kamen sie bislang dennoch nicht. Am 15. oder 16.12. findet dann eine größere Sitzung statt. Ich bin gespannt was diese ergibt. Es wird auf jeden Fall langsam Zeit, dass etwas getan wird. Ungefährlicher wird die Situation nämlich ganz sicher nicht.

Streik für einen neuen Damm

Im Moment bin ich so weit, dass ich hier bleiben werde. Wenn allerdings meine Angst zu groß wird und die Situation ernster wird, dann werde ich, "bevor alle Dämme brechen", vorzeitig nach Deutschland zurückkehren.

Macht euch bitte keine größeren Sorgen um mich! Betet einfach dafür, dass die Katastrophe ausbleibt, rechtzeitig eine Lösung gefunden und ein neuer Damm gebaut wird!

Alles Liebe und eine schöne Adventszeit!
Eure പ്രിയ 

Dienstag, 29. November 2011

Herausforderungen des Alltags Teil 4:

krank sein...

Hallo meine Lieben!
Ihr habt mal wieder schon länger nichts von mir gehört. Das liegt zum einen daran, dass ich ja den Einsatzortwechsel hinter mir habe und zum anderen daran, dass ich seit einer Woche krank bin und mich eigentlich nicht sehr nach schreiben fühle.

Krank zu sein, das ist nie schön und wenn es einem schlecht geht dann hat man am liebsten sein eigenes Zuhause um sich herum und vertraute Menschen, die sich um einen kümmern. Wenn es schlimm ist, besucht man zudem noch den Arzt seines Vertrauens, der einem dann auch die Medizin unseres Vertrauens verschreibt. Wir gehen einfach nach dem Arztbesuch noch kurz in der Apotheke vorbei und verkriechen uns dann möglichst schnell wieder im kuscheligen Bett und hoffen auf Besserung, die meistens nach ein paar Tagen auch eintritt.

Für was diese Tablette gut ist weiß ich nicht, geschluckt habe ich sie trotzdem

Im Ausland krank zu sein, und dann auch noch weit weg von allem Vertrauten, kann ziemlich schwer sein. Aus verschiedenen Gründen.
Ein Grund ist einfach, dass man trotz eines schönen eigenen Zimmers sich nicht richtig wie zuhause fühlt. Alles fühlt sich anders an und auch die Bettwäsche duftet anders als sonst. Man bewegt sich nicht so frei und man hat nicht alles wie gewohnt zur Hand.
Ein zweiter Grund ist, dass man niemanden hat, der sich so um einen kümmert wie man es vom eigenen Heim gewöhnt ist. Zwar gibt es auch hier Menschen, die um das Wohl des Kranken bemüht sind und sich Sorgen machen und doch ist man sich natürlich fremder als Familienmitglieder oder Freunde. Telefonate helfen da leider nur wenig. Sie sind für den Moment ein willkommener Seelenstreichler, aber ab dem Zeitpunkt, an dem die Leitung wieder tot ist, fühlt man sich manchmal noch einsamer und trostloser als zuvor. Man sehnt sich schrecklich nach vertrauten Gesichtern und stellt eventuell die Reise in das fremde ferne Land in Frage.

Drittens kann man hier nicht mal eben zu seinem Hausarzt gehen. Zumeist wird man gleich ins Krankenhaus gebracht und auch wenn man sich dagegen sträubt, macht einem der nicht europäische Standard Sorgen. Es ist zwar alles reinlich und auch das Personal scheint zu wissen was es tut, schließlich haben auch sie eine normale Ausbildung gemacht und die hiesigen Patienten werden auch geheilt. Und doch denkt man viel mehr an irgendwelche Keime, die einen zusätzlich befallen könnten und auch daran, dass die Nadel, die einem gerade in die Vene geschoben wird vielleicht nicht ganz steril ist.
Medikamente in der typischen Verpackung
Ein weiterer Punkt beim Arzt ist, dass so gut das eigene Englisch auch ist, es nun mal nicht die Muttersprache ist und einem medizinische Fachbegriffe nur selten im relevanten Moment einfallen. Für den Begriff Magenschmerzen reicht es vielleicht noch aus, aber wie ist es mit weiteren Wörtern, die beispielsweise die Art des Schmerzes beschreiben?
Es wird einem zwar irgendwie erklärt was die vorläufige Diagnose ist und doch geht man unwissend zur Krankenhausapotheke und holt die verschrieben Medikamente ab. Hier ist das nächste Problem. Man hat zwar eine Palette Tabletten und ähnliches verschrieben bekommen und doch weiß man eigentlich gar nicht genau wogegen diese wirken. In Deutschland würde man in diesem Fall einfach den Beipackzettel lesen. Hier hingegen bekommt man die benötigte Anzahl an Tabletten im Streifenfilm in ein braunes Tütchen, mit den Einnahmezeiten beschriftet, verpackt und in die Hand gedrückt. Von einem Zettel, auf dem die Inhaltsstoffe, Nebenwirkungen und Einsatzbereiche vermerkt stehen, fehlt jede Spur. Man schluckt also alles wie vorgegeben und hofft auf Besserung.

Ich habe jetzt schon seit einer Woche mit Magenschmerzen zu kämpfen, die trotz der Medikamente nicht verschwinden wollen. Und irgendwie will ich auch nicht daran glauben, dass es auf einmal vom Essen kommen soll, wo ich schon drei Monate lang ohne jegliche Schwierigkeiten die hiesige Nahrung zu mir nehme.
Der Zeitpunkt der Krankheit hätte mal wieder nicht schlechter kommen können. Ich weiß, dass es nie einen richtigen Zeitpunkt fürs krank sein gibt und trotzdem ist es jetzt echt schlicht ergreifend blöd und unpassend. Ich habe vor gerade mal zwei Wochen die Einsatzstelle gewechselt und schon bin ich die zweite Woche davon krank. Eigentlich ist hier alles toll und ich habe endlich das Gefühl eine Aufgabe zu haben und kann einfach nicht, weil mir meine Gesundheit einen Strich durch die Rechnung macht.
Ein kleiner Trost: Früchtetee aus Deutschland
Die oben beschriebenen Punkte treffen natürlich alle auf mich zu und dazu kommt noch, dass ich hier einfach nicht weiß was ich bei Magenschmerzen essen kann. In Deutschland würde ich es so wie immer machen. Pfefferminz- oder Kamillentee trinken und dazu Salzstangen, Knäckebrot und Zwieback knabbern bis es mir wieder besser geht und ich mich an eine leichte Suppe herantraue. Hier habe ich nur den Früchtetee von zu Hause oder schwarzen Tee zur Verfügung und Gebäck ohne Zucker scheint es hier auch nicht zu geben. Ich schlage mich zur Zeit mit getoastetem Weißbrot (über das ich schon ungemein glücklich bin!), gesüßtem Zwieback und Reissuppe (Reis und Wasser) ohne alles herum.
Die Reaktionen meines Umfeldes reichen von Mitgefühl bis zu Unverständnis. Wobei das letztere natürlich nicht gerade hilfreich ist, wenn man sich eh schon nicht gut fühlt. Zum Beispiel wurden mir zu meiner Reissuppe gestern Abend Pickles (eingelegte saure und scharfe Zitronen) angeboten und über meine Ablehnung gelacht.

Ich habe jetzt für fünf Tage die verschriebenen Medikamente eingenommen und warte immer noch auf Besserung. Mein Magen schmerzt und ich fühle mich recht schwach auf den Beinen, was natürlich auch an meiner Zwangsdiät liegen könnte. Heute Abend werde ich von einer Cousine meiner Mutter, die ich bisher noch nicht kenne, zu sich nach Hause geholt. Sie ist Krankenschwester und hat mir angeboten mich aufzunehmen bis es mir wieder besser geht. Heute wird mal wieder gestreikt auf Keralas Straßen (langsam habe ich das Gefühl, dass das auch eine Art Hobby hier ist) und somit werde ich erst morgen einen Arzt aufsuchen können. Aber ich bin mal wieder sehr froh meine Familie vor Ort zu haben und hoffe einfach, dass es mir bald besser geht. Drückt mir die Daumen!

Ich hoffe, dass es euch allen gut geht und ihr euch bei der Kälte keine Erkältungen einfangt! Es ist verrückt, dass es schon Ende November ist. Man kann es sich hier einfach gar nicht vorstellen. Was vom Standpunkt des Heimwehs auch ganz gut so ist. ;) Hier haben wir den ewigen Juli und das wird sich bis zu meiner Heimkehr im März auch nicht viel ändern.

Der nächste Bericht steht eigentlich schon in den Startlöchern und wartet nur noch auf meine Genesung..Bis hoffentlich bald wieder!
Eure പ്രിയ

Mittwoch, 9. November 2011

We are family

Hallo meine Lieben!

Familienname am Tor
Hier in Indien hat die Familie einen sehr hohen Stellenwert und die Zusammengehörigkeit lässt sich sehr stark spüren. Alleine die Verwandtschaftsgrade zeigen, dass man sich hier (oft) näher steht als in Europa. So werden hier die Cousinen und Cousins ersten Grades (Kinder von Onkel und Tanten) wie die eigenen Geschwister gesehen. Zugleich rücken die zweiten Grades (Kinder von Cousins und Cousinen der Eltern) demnach an die Stelle der „normalen“ Cousins und Cousinen. Klingt komplizierter als es ist und ich hoffe ihr konntet es halbwegs verstehen. ;)

Meine "kleinen Brüder" und ich
Ich habe eine wirklich schöne und aufbauende Woche bei meiner Familie hinter mir! Am Sonntag den 23.10. wurde ich von meiner Tante und meinem Cousin Jovin mit dem Taxi abgeholt. Eigentlich war zwar abgemacht, dass wir mit dem Bus fahren, aber im Endeffekt war ich doch ganz froh, dass ich mich einfach ins Auto setzen konnte und die Fahrt losging.
Tiger unser Wachhund
Die Fahrt dauerte insgesamt ca. 2 Stunden und ich schlief wie immer im Auto ein. Irgendwie kann ich keine Reise hier in Indien überstehen ohne, dass ich einschlafe. So sehr ich mich auch dagegen wehre, meine Augen schließen sich immer wieder wie von Geisterhand. Im Auto ist mir das relativ gleichgültig, aber wenn man im Bus neben einer fremden Person sitzt kann das schon zu interessanten Situationen führen.
Wir kamen am frühen Nachmittag an und es war sehr schön die ganzen vertrauten Gesichter zu sehen. In Karikkatoor wohnen, neben der einen Tante und Jovin, meine Cousine Alida, meine Großmutter und in einem anderen Haus, aber gleich nebenan, eine weitere Tante und drei Cousinen. Wobei eine der Cousinen bald nach Kuwait auswandern wird um dort, wie viele andere Verwandte von mir, zu arbeiten.
Zuhause :) 
Ich fühlte mich von Anfang an sehr wohl und obwohl ich das erste Mal ohne meine Eltern und Schwestern da war, kam mir alles sehr vertraut vor. Die meiste Zeit verbrachte ich mit meinen Cousins und Cousinen und wir schauten gemeinsam fern (hier gibt es ein unglaublich gutes englischsprachiges Fernsehprogramm!! Da laufen auch am Vormittag schon Spielfilme, die bei uns gerade mal auf DVD erschienen sind), spielten Karten oder unterhielten uns. Ein großes Highlight, vor allem für meine beiden Cousins, war, dass ich mein Netbook mit Internetstick dabei hatte und ich konnte sehr amüsiert feststellen, dass auch hier die Jugend sehr Facebook abhängig sein kann. :)
Jovin (der sich extra klein macht), Alida und ich 
Einen der Tage fuhr ich mit Alida und ihrer Mutter nach Kanjirapally, den nächst größeren Ort, um dort einkaufen zu gehen. Zwar besitze ich schon ein paar Churidaars, aber da diese jeden Tag gewechselt werden müssen und keine Kombinationsmöglichkeiten offen lassen, habe ich mich entschlossen noch zwei weitere zu erwerben und auch nach einem günstigen Sari Ausschau zu halten. Meine Freunde wissen, dass ich sehr große Schwierigkeiten habe mich entscheiden zu können. Da kann man sich sicher vorstellen, dass das Einkaufen mit mir auch nicht so die größte Freude war. Irgendwie hatte ich doch sehr spezifische Vorstellungen davon wie die Churidaars sein sollten und vor allem wie auf gar keinen Fall. Folgende Kriterien sollten also beachtet werden:
  1. möglichst helle Farben
  2. Baumwollstoff
  3. schlichtes Aussehen ohne auffällige Muster
  4. auf gar keinen Fall Muster zusätzlich auf der Hose
  5. kein Kitsch
Ich kann euch so viel verraten, ich habe der Verkäuferin auf jeden Fall einiges abverlangt und sie an die Grenzen ihrer Geduld gebracht. Es ist aber auch nicht einfach die oben genannten Kriterien alle zu erfüllen. Und wenn man dann bei hellen Farben nur weiße Churidaars vorgelegt bekommt oder ziemlich kitschige Teile, wird man auch als Kunde irgendwann sehr ungeduldig. Als ich mich halbwegs für ein Model entscheiden konnte, stellte ich fest, dass dies einen Fehler hatte und natürlich gab es dieses nur ein einziges Mal. Ich habe eh das Gefühl, dass es jeden Churidaar nur ein einziges Mal gibt und man sich dieses dann beim Schneider an den eigenen Körper anpassen lassen muss.
Einen passenden und günstigen Sari fand ich im Verhältnis relativ schnell. Hier hatte ich die Vorstellungen: schlicht, günstig, grün/türkis und sie wurden erfüllt. Den Stoff bekam ich für umgerechnete 3,50 Euro, plus Unterrock und Bluse schneidern lassen waren es insgesamt dann ca. 6 oder 7 Euro.
Für meine Cousine und Tante haben wir auch noch ein paar Einkäufe getätigt, sodass der Tag recht lang wurde. Zwischenzeitlich fing es dann auch noch sehr an zu regnen und irgendwie war es mir ein wenig zuwider in Flipflops durch die braunen Wassermassen, die in Bächen die Straße hinunterliefen, hindurch zu waten. Aber was soll man machen wenn man vorwärts kommen will?
Meine Tante bei der Arbeit in der Apotheke 
Zurück fuhren wir wieder mit dem Bus, der so voll war, dass ich es sehr bereute, das Angebot mit dem Auto zurückzufahren nicht angenommen zu haben. Aber leider hatte der Sparfuchs in mir gesiegt. Es war so voll, dass wir uns einen Platz im Bus erkämpfen mussten und ich war erstaunt wie viele Menschen dort hinein passen! Ich stand relativ weit vorne und jedes Mal wenn der Bus bremste, fielen bestimmt 4-5 Mädchen auf mich drauf. Meine Kraft in den Armen reicht aber leider nur für mein eigenes Gewicht oder eine weitere Person. So wurde ich jedes Mal halb mit umgeworfen und ich ärgerte mich sehr, als ich sah, dass sich die meisten der Mädels nur mit einem Arm festhielten und es bei ihren riesigen Muskeln kein Wunder war, dass sie sich nicht halten konnten. Naja, einfach kurz darüber aufregen und nächstes Mal das Auto nehmen.
Einen weiteren Tag nutzten wir (meine Oma, Rovin und ich) mit dem Taxi nach Kottayam zu fahren und uns dort meine eventuelle zukünftige Einsatzstelle anzuschauen. Unterwegs hielten wir noch bei einer Augenklinik um mein Auge, das immer noch keine Besserung zeigt, bei einem Spezialisten vorzuführen. Von außen sah das Gebäude zwar eher weniger schön aus, aber das innere konnte sich auf jeden Fall sehen lassen. Es hatte eine recht große Eingangs- und Wartehalle mit einer Kuppel und einen, in den Boden eingelassenen, Fischteich. Nach 200 Rupien (ca. 3 Euro) Aufnahmegebühr musste ich, wie aus Deutschland gewöhnt, lange lange warten. Zunächst bekam ich einen Routinecheck meiner Augen, dann hieß es noch einmal warten und dann wurde ich zu der Ärztin gelassen. Die interessierte sich zwar mehr dafür, dass ich aus Deutschland komme als für meine Augen, aber sie untersuchte sie und kam zu dem Ergebnis, dass es sich wohl um einen Virusinfekt handelt und ich eine Woche noch weiter Medikamente nehmen solle. Also gingen wir mit drei neuen Augentropfen/salben nach Hause. Ich bin sehr gespannt, ob ich tatsächlich bald wieder Kontaktlinsen tragen kann.
die nächst größeren Orte - ich glaube auch das einzige Straßenschild in Karikattoor
Die Fahrt ging also weiter und wir trafen uns in Kottayam mit dem Cousin meiner Oma, der sich ja um die potentiellen Einsatzstellen bemüht hat. In einem Konvent aßen wir zu Mittag und fuhren dann zur ersten Einrichtung, einem Heim für Krebskranke, das eigentlich eher eine Hospizstation ist. Dort lernte ich Julia kennen, ein Mädel aus Österreich, die dort für einige Wochen mitgeholfen und gelebt hat. Sie führte mich ein wenig herum und stellte mich den Patienten vor. Es war schlimm zu sehen, dass fast alle Patienten (bis auf 2) in ihren Betten liegen und dort vor sich hin vegetieren. Julia erzählte mir, dass ihre Aufgabe hauptsächlich darin besteht, die Patienten, mit Hilfe einer Schwester, zu waschen, ihre Betten zu säubern und ihnen Nahrung anzureichen. Die Nachmittage hatte sie quasi frei und verbrachte diese zumeist damit sich mit um die Patienten zu kümmern, indem sie mit ihnen redete, sie streichelte oder einfach für sie da war. Die meisten von ihnen haben keine Angehörigen, die sich um sie kümmern und auch sonst erfahren sie kaum Zuneigung und Aufmerksamkeit. Die meisten sind dort um zu sterben. Wirklich eine schlimme Situation!
Anschließend fuhren wir weiter zu einer zweiten Stelle, einer Einrichtung für geistig behinderte Kinder. Dort sind zur Zeit zwei andere Deutsche, die allerdings schon bald abreisen. Sie berichteten, dass sie dort zwar eine schöne Zeit verbracht hätten, aber sich auch die Arbeit ein wenig selbst suchen mussten. Auch von der Einrichtung an sich habe ich wenig gesehen. Die weiteren Angestellten freuten sich aber sehr als sie hörten, dass ich Logopädin bin und planten mich quasi schon ein. Ich war in dem Moment ein wenig überfordert mit den vielen neuen Eindrücken und dem Druck, dass ich mich quasi entscheiden sollte und bat darum erst einmal ein oder zwei Nächte darüber schlafen zu können. Nach der Besichtigung fuhren wir dann nach Hause.
An diesem Turm kann ich immer erkennen, dass ich in Karikattoor bin
Ich habe also eine sehr spannende und auch erholsame Woche hinter mir. Meine Entscheidung, die ich getroffen habe sieht so aus, dass ich in die Einrichtung für geistig behinderte Kinder wechseln werde. Wie sich herausstellte ist dort auch der Sohn des Taxifahrers der Ordensschwestern untergebracht. (Ja, die Welt ist klein ;)) Ich kann mir dort einfach besser vorstellen, dass ich eine Tätigkeit finde und mit Kindern lassen sich immer Spiele, Übungen und Freizeitaktivitäten gestalten. Ob ich als Logopädin dort tätig werden kann, das werden wir noch sehen. Ich stelle mir das ohne Sprachkenntnisse sehr schwierig vor. Aber ich lasse es einfach auf mich zukommen. Es wird so oder so eine Steigerung werden und ich denke auch, dass ich es selbst ein wenig in der Hand habe, was ich dort aus der Situation mache. Die jetzige Woche bin ich noch bei einem befreundeten Ehepaar und erlebe auch viel neues. (Ich komme mit dem Berichteschreiben einfach nicht hinterher!) Am Montag oder Dienstag werde ich noch einmal nach Moolamattom zurückkehren und mich für den Wechsel bereit machen! Zu meiner Familie werde ich dann das nächste Mal zur Weihnachtszeit fahren und ich freue mich schon jetzt auf das Wiedersehen!

Bis bald wieder!
Liebe Grüße von eurer Priya

Samstag, 22. Oktober 2011

Was bisher geschah...

Teil 1 von 2

- Lagebericht- 

Woche 4-8: 19.09.-22.10.2010

Herrjemine.. mir wurde gerade, mit heraussuchen des Zeitraums, bewusst, wie lange ich eigentlich nicht mehr geschrieben habe. Ich will versuchen es ein wenig zu erklären. Die ersten Wochen boten für mich noch sehr viel Abwechslung und ich war voller Tatendrang. Ich würde vermuten, dass ich in Woche vier einfach nur keine große Lust hatte zu schreiben und ab dann habe ich einfach auch nicht gewusst worüber ich schreiben soll.

Eines der ersten Fotos mit der neuen (!) Kamera
Ich bin jetzt knapp zwei Monate hier und irgendwie ist es doch anders als ich es mir vorgestellt habe. Die ersten Wochen lasse ich als Eingewöhnungsphase durchgehen. Es war eine Phase, in der ich voller Energie steckte und unbedingt etwas schaffen und machen wollte! Diese Energie verlor ich mit der Zeit. Das tägliche „Nichtstun“ und „zu nichts gebraucht werden“ erschöpfte mich fast mehr als wenn ich wahrscheinlich den ganzen Tag gearbeitet hätte. Und mit der Zeit verliert man auch die Lust ständig aus eigener Kraft nach einer Tätigkeit zu suchen.
Ich hatte einfach das Gefühl, dass sich niemand für mich verantwortlich fühlt und auch nicht fühlen will. Ich bin da, es gibt im Krankenhaus nichts zu tun und so ist es dann einfach. Wenn man in einem fremden Land ist fühlt man sich ein wenig hilflos. Man ist dermaßen auf die Hilfe von anderen angewiesen, dass man, wenn man das Gefühl hat alles getan zu haben was in seiner Macht steht, irgendwie nicht mehr ganz weiter weiß.

Ich habe viele Telefonate geführt und mir Ratschläge angehört und dennoch hat sich nichts getan. Es ist ein wenig paradox. Auf der einen Seite bin ich total passiv geworden und auf der anderen Seite will ich es auch eigener Kraft heraus schaffen.
So wunderschön sieht der Sonnenuntergang nach einem heißen Tag aus! 
Ihr fragt euch wahrscheinlich was aus meinem Projekt im Rehabilitationszentrum geworden ist. Es war eine Aneinanderreihung von ungünstigen Umständen. Erst war es, wie ich auch schon geschrieben hatte, schwierig jemanden zu finden der mich begleitet, denn alleine sollte ich ja nicht fahren, dann hatte ich sie überredet mich alleine fahren zu lassen, da bin ich bei einem Ausflug gestürzt und hatte einige Tage Probleme mit dem Knie. Als ich nun dachte, dass ich wieder die Arbeit dort in Angriff nehmen könnte, entzündete sich mein rechtes Auge. Ich ging auch gleich zum Augenarzt und bekam die Diagnose „dust allergie“. Dies übersetzte ich mir einfach frei damit, dass ich wohl während diverser Busfahrten und aufgrund der staubigen Luft Schmutz ins Auge bekam, welcher Dank der Kontaktlinsen dort verblieb und zu einer Entzündung führte.

Bis heute ist das Auge noch nicht wieder komplett in Ordnung und ich bekam die Anweisung Busfahrten zu vermeiden. Somit war die Fahrt nach Muttom also gestrichen. Da es um meine Augen ging war ich sehr vorsichtig. Wer Schwierigkeiten mit den Augen hat, der weiß wie man sich fühlt wenn dann eine Entzündung oder ähnliches dazu kommt. Es ist die Angst, dass das Auge dauerhafte Schäden davon tragen könnte. Somit schonte ich mich und mein Auge, nahm diverse verordnete Augentropfen und besuchte regelmäßig den Augenarzt. Mittlerweile nehme ich vier verschiedene Medikamente, von denen ich drei alle drei Stunden nehmen muss. Klingt ätzend, ist es auch!
Meine kleine Auswahl an Augentropfen

Ich denke es hat verschiedene Gründe warum es sich so lange hinzieht. Zum einen war es hier für zwei Wochen sehr sehr heiß und hat gar nicht geregnet und zum anderen ist die Stärke der Medikamente eine andere. Meine deutschen Augen bräuchten wahrscheinlich etwas „härteres“. Drückt mir also die Daumen, dass bald alles wieder in Ordnung ist! Danke! :)

Die aktuelle Situation sieht so aus, dass ich morgen für ein paar Tage zum Familienbesuch nach Karikkatoor fahre. Ich sehe die Tage als Chance an, ein wenig Abstand zum Krankenhaus und der momentanen Situation zu gewinnen und natürlich ein paar vertraute Personen um mich zu haben. Anschließend kehre ich für ein paar Tage zurück, bevor ich wieder aufbreche und ein paar Tage Anfang November mit einem befreundeten Ehepaar aus Deutschland verbringe. Diese engagieren sich schon seit Jahren für ärmere Leute in dem Heimatort des Mannes und werden mir ihre Projekte vorstellen. Ich bin schon sehr gespannt!

Gestern erhielt ich zudem einen Anruf von dem Cousin meiner Großmutter. Diesen war ich in Woche vier besuchen, da er zudem der Novizenmeister einer Ordensschwester hier im Krankenhaus war. (Die Welt ist doch irgendwie klein!) Er ist Priester und hat sich in seinem Umfeld nach einer Tätigkeit für mich umgehört und wenn alles glatt geht, bei meinen Umständen bisher weiß man ja nie, kann ich mir die Arbeit in einer Station für Krebskranke und einem Haus für geistig behinderte Kinder anschauen. Erstmal nur für eine Woche und anschließend kann ich mich entscheiden, was ich letztendlich machen will.

Es sieht also so aus, als würde sich doch etwas tun!! Und es muss sich eindeutig etwas tun! Ich bin sehr gespannt wie es weitergeht und werde euch natürlich soweit es geht auf dem Laufenden halten.

Im zweiten Teil des Berichts werde ich auf ein paar „besondere“ Ereignisse und Erlebnisse der letzten Wochen eingehen!

Ich hoffe euch geht es allen gut! Bis zum zweiten Teil des Berichts!
Alles Liebe!
Eure പ്രിയ 

P.s. Jaa! Ich habe eine neue Kamera!! :)